INDONESIEN Befindet sich in einem Prozess des dynamischen Wandels

Länderbericht

 

Die Wirtschaftskrise, die 1997-1998 Asien traf, hatte große Auswirkungen auf Indonesien. Die Krise, die als Wirtschaftskrise begann, entwickelte sich rasch zu einer politischen Krise und erfasste schließlich alle Bereiche der Gesellschaft.  Die Bewegung gegen das diktatorische Suharto-Regime, an deren Spitze damals die kämpferische Studentenbewegung stand, entwickelte sich zu einer Massenbewegung der Arbeiter, Bauern, armen Stadtbewohnern und der mittleren Klassen, die den Sturz Suhartos forderten. Am 21. Mai 1998 wurde Suharto zum Rücktritt gezwungen und Vizepräsident Habibie wurde mit der vollen Unterstützung des Militärs als Präsident vereidigt. Seitdem hat in den letzten drei Jahren die Präsidentschaft zweimal gewechselt. Habibie war Suhartos Protegé und offensichtlich nur eine Übergangsfigur. Er stimmte jedoch einer Volksabstimmung für das Volk von Ost-Timor zu. Die indonesische Armee stimmte dem jedoch nicht zu. Als die Volksabstimmung unter der Schirmherrschaft der UN durchgeführt wurde und eine überwältigende Mehrheit des Volkes für die Unabhängigkeit stimmte, zettelte das indonesische Militär mit Hilfe der sogenannten pro-indonesischen Miliz ein Blutbad an. Bis jetzt wurden die Verantwortlichen nicht vor Gericht gestellt.

1998 fanden in Indonesien die Parlamentswahlen statt, in denen die Indonesische Demokratische Partei des Kampfes von Megawati Sukarnoputri die Mehrheit der Stimmen bekam und auf ungefähr 30 Prozent kam. Man ging davon aus, dass Megawati als Präsidentin gewählt und Habibie ersetzen würde. Aber aufgrund der politischen Manipulation der islamischen Parteien, die nicht wollten, dass eine Frau Präsidentin wird, war es Abdurachman Wahid, Vorsitzender der 35 Millionen Menschen umfassenden islamischen Organisation Nadhlatul Ulama, der trotz seiner körperlichen Behinderung zum Präsidenten gewählt wurde und Megawati zur Vizepräsidentin. Wahid, der eine Demokrat ist, kam jedoch nicht den Wünschen der islamischen Parteien nach. Er schlug vor, den Beschluss der Beratenden Volksversammlung von 1966 zu widerrufen, der die Kommunistische Partei Indonesiens verbot und die Verbreitung des Marxismus-Leninismus untersagte. Sein Vorschlag wurde praktisch in der MPR (Beratende Volksversammlung) von allen Parteien abgelehnt, da die Mehrheit in der Tat immer noch einen Teil der Neuen Ordnung Suhartos darstellte. Von da an begannen die Versuche, Wahid des Amtes zu entheben, indem er der Korruption, der Missachtung des Parlaments, eines autoritären Führungsstils etc. beschuldigt wurde. Im Juli dieses Jahres führten diese Versuche zum Erfolg. Am 23. Juli wurde Megawati zur Präsidentin gewählt und Hamzah Haz, Vorsitzender der größten islamischen Partei, der sich 1999 der Kandidatur von Megawati widersetzte, weil sie eine Frau ist, wurde Vizepräsident.

 

Die Regierung von Megawati wird mit enormen Problemen konfrontiert:

-          Wirtschaftlich ist das Land in einem elenden Zustand. Die Auslandsschulden belaufen sich auf 140,2 Milliarden Dollar, was fast dem Bruttoinlandsprodukt entspricht. Das Land ist vom IWF abhängig, der praktisch das Finanzministerium Indonesiens darstellt. Der amerikanische Krieg gegen Afghanistan macht die Lage noch schlimmer. Die indonesischen Exporte werden stark zurückgehen. Die Arbeitslosenrate ist von 35,29 Prozent im Jahr 1997auf 37,23 Prozent im Jahr 2000 gestiegen, das entspricht 39,91 Millionen. Obwohl die Regierung die Bedeutung der Entwicklung der kleinen und mittleren Betriebe unterstrichen hat, ist wenig getan worden, dies zu verwirklichen. Indonesien ist in der Tat ein neokoloniales Land. Obwohl sich in den letzten 30 Jahren die kapitalistischen Produktionsverhältnisse auch auf dem Land entwickelt haben, gibt es noch starke feudale Überreste.

-          Politisch hat sich nichts grundlegend geändert. Die politischen Strukturen und Einrichtungen des Regimes der Neuen Ordnung von Suharto sind immer noch intakt. In der Tat verstärken unter der Megawati-Regierung Polizei und Militär offen die Unterdrückung von Protestaktionen und Demonstrationen.

-          Das Rechtssystem ist völlig korrupt. Die Gesetzlosigkeit ist weit verbreitet. Der Richter, der Suhartos Sohn Tommy zu einer Gefängnisstrafe verurteilte, wurde am helllichten Tag erschossen, während Tommy immer noch nicht gefunden werden konnte.

-          Das Land droht auseinander zu fallen; diese Gefahr geht nicht nur von separatistischen Bewegungen in Aceh und West-Papua aus, sondern auch von der Auflösung der Autorität in verschiedenen Bezirken, was zu einer grenzenlosen Ausbreitung der Kriminalität führt. Unter dem Suharto-Regime war die Regierung überzentralisiert. Nichts konnte in den Regionen unternommen werden ohne den Eingriff oder die Entscheidung der Zentralregierung (in der Tat der Suharto-Clique). Das führte zu einer weit verbreiteten Unzufriedenheit mit der Zentralregierung und dem Widerstand gegen sie, die auch als javanesische Regierung betrachtet wird. Der größere Teil der finanziellen Ressourcen in der Region muss nach Jakarta geleitet werden. Diese ungerechte Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen zwischen dem Zentrum und den Regionen ist eine der Hauptursachen für verschiedene Bewegungen in den Regionen, die nicht nur für eine regionale Autonomie eintreten, sondern auch für die Unabhängigkeit ethnischer Gruppen. Diese Forderungen werden nicht nur in Aceh, auf den Molukken und West-Papua laut, sondern auch in anderen Regionen wie z.B. in der Provinz Riau, in Kalimantan dan Sulawesi oder sogar auf Java: Pasundan (West-Java), Banten (der größte Teil im Westen von Java) und auf der Insel Madura. Es ist nicht möglich, diese Probleme durch die Anerkennung des "Rechts auf Selbstbestimmung" für diese ethnischen Gruppen zu lösen, insbesondere weil diese Bewegungen von feudalen und bürgerlichen Eliten geführt und gefördert werden, die die Arbeiter und Bauern in ihren Regionen unterdrücken. Die Lösung muss im Kampf gegen die wirtschaftlichen und politischen Ungerechtigkeiten gesucht werden, gegen die Verletzung elementarer Menschenrechte und in diesem Prozess des Kampfes, in dem sich  die fortschrittlichen Kräfte all dieser Regionen zusammenschließen.

 

Das sind nur einige der Probleme und Schwierigkeiten, mit denen unser Land und unsere Nation konfrontiert werden. Und die gegenwärtige Regierung wird unfähig sein, mit diesen Problemen fertig zu werden. Was sollen die Menschen also machen? Sie müssen sich organisieren und ihre eigenen Kräfte entwickeln.

Die wichtigste Errungenschaft im Zusammenhang mit dem Sturz Suhartos ist die, dass sich das Volk wichtige grundlegende Rechte und Freiheiten zurückholte, so etwa die Redefreiheit, das Versammlungsrecht, das Recht der Organisierung und die Pressefreiheit. Die kommunistische Partei und der Marxismus-Leninismus sind immer noch verboten. Der Sturz Suhartos und die Schwächung der Zentralmacht haben jedoch den fortschrittlichen Kräften einen Spielraum gegeben, der voll ausgeschöpft werden sollte. Bücher über den Marxismus-Leninismus und die Mao Zedong-Lehren werden veröffentlicht und es besteht Nachfrage nach ihnen. Es ist möglich, Gewerkschaften, Bauernverbände und andere demokratische Massenorganisationen zu bilden. Durch diese Organisationen erfolgt die politische Erziehung, die notwendig ist, um den Kampf höher zu entwickeln. Das bedeutet, dass eine sorgfältige, harte und langfristige Arbeit geleistet werden muss, da die mehr als dreißig Jahre andauernde Politik der Neuen Ordnung, die zu einer Entpolitisierung und zur Zerschlagung der kommunistischen Partei und anderer linken Parteien geführt hat, die politische Unwissenheit unter den Massen verbreitete. Durch die Organisierung der Massen im Kampf für verschiedene Forderungen werden sie ihre eigene Stärke erkennen und in die Lage versetzt werden, die Rechte und Freiheiten, die sie bereits gewonnen haben, zu verteidigen. Sie sind die Quelle der dynamischen Veränderungen in Indonesien.

Die Marxisten-Leninisten arbeiten aktiv unter den Massen. Ihre Prioritäten liegen in der Organisierung und Entwicklung der revolutionären Kräfte in Indonesien. Auch wenn es keine legale und offen auftretende kommunistische Partei gibt, so bedeutet das nicht, dass es unmöglich ist, kommunistische Ideen zu verbreiten. Viele ehemalige politische Gefangene waren bekannte kommunistische Kader, als sie 1965-1966 verhaftet wurden. Nicht wenige von ihnen haben die langen Jahre der Inhaftierung und Konzentrationslager überlebt. Nach ihrer Freilassung setzen sie ihre Aktivitäten als Einzelpersonen fort. Eine wichtige Aktivität besteht darin, eine Verständigung mit der islamischen Bevölkerungsgruppe zu erreichen. Indonesien ist das Land mit der weltweit größten islamischen Glaubensgemeinschaft. Die imperialistischen und einheimischen reaktionären Kräfte haben dem Volk die Vorstellung aufgezwungen, dass Islam und Kommunismus natürliche Feinde sind, die nicht koexistieren können. An den Massakern von 1965-1966 waren islamische Organisationen, angestachelt durch das Militär, aktiv beteiligt, besonders in Ost-Java. Es ist verständlich, dass es ein gegenseitiges Misstrauen und Ressentiments gibt zwischen diesen islamischen Gemeinschaften und den ehemaligen politischen Gefangenen und ihren Familien. Aber 1998 wurde die Stiftung zur Aufklärung der Opfer der Massaker von 1965-1966 gegründet. Das Hauptziel besteht darin, Daten zu sammeln über die genaue Anzahl der Getöteten in den verschiedenen Regionen und die Methoden bei der Ausführung der Morde. Die Verwandten der Opfer wollen genau wissen, was mit ihren Eltern, Brüdern, Schwestern und Kindern geschah und fordern für sie eine richtige Bestattung. Mitglieder der islamischen Gemeinschaft äußerten Verständnis für das Ziel dieser Stiftung, besonders nachdem Abdurrachman Wahid, der ehemalige Präsident Indonesiens, sein Bedauern über diese Morde zum Ausdruck brachte und sich dafür entschuldigte. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurden deshalb Treffen und Dialoge durchgeführt zwischen "ehemaligen Kommunisten" und islamischen Mitgliedern der Gemeinschaft, besonders mit der jungen Generation. Indem wir die Zusammenarbeit zwischen den Kommunisten und den islamischen Kräften in den 1920-er Jahren bei der Durchführung des nationalen Aufstands gegen die niederländische Kolonialherrschaft zum Vorbild nehmen, betonen wir, dass die Zusammenarbeit zwischen Kommunismus und Islam nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um die demokratische und soziale Gerechtigkeit in Indonesien zu erreichen.

Die Ereignisse vom September 1965 und die sich daran anschließenden Massaker an fast einer Million von Menschen werden als nationale Tragödie empfunden, die die indonesische Nation gespalten hat und deren Auswirkungen bis heute noch spürbar sind. Einige sprechen von einem "Völkermord", der stattgefunden hat. Nach dem Sturz Suhartos ist davon die Rede, dass es vielleicht in Indonesien nötig sein wird, eine Versöhnung wie in Südafrika herbeizuführen. Im Parlament wird ein Gesetz vorbereitet zur Bildung eines Ausschusses für Wahrheit und Versöhnung. Aber die Situation in Indonesien ist völlig anders als in Südafrika. Es ist nicht möglich, von Versöhnung zu sprechen, solange die Wahrheit über die Ereignisse vom September 1965 und über die Verantwortlichen nicht offen gelegt worden ist. Über diese Fragen finden jetzt offene Diskussionen statt. Es ist klar, dass der CIA und der britische MI6 darin tief verstrickt waren.

Der Kampf des indonesischen Volkes für nationale und soziale Befreiung und gegen die imperialistische Globalisierung ist Teil des weltweiten Kampfes. Wir erkennen deshalb die Bedeutung der internationalen Solidarität, der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung der fortschrittlichen und revolutionären Kräfte aller Länder. Die gegenwärtigen Bedingungen in Indonesien haben den fortschrittlichen Kräften mehr Möglichkeiten eröffnet für die Beteiligung an dieser internationalen Bewegung. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren war es möglich, eine anti-imperialistische Konferenz durchzuführen. Die Konferenz, die von der asienweiten Kampagne gegen den US- und japanischen Imperialismus organisiert wurde, wurde im November 1999 in Yogyakarta (Zentral-Java) abgehalten. Indonesische Massenorganisationen nahmen an der Gründung des ILPS dieses Jahr teil. Aber die fortschrittlichen Kräfte sind noch sehr klein und schwach. Es ist ein langer, komplizierter und schwieriger Kampf, der vor ihnen liegt. Aber der Prozess des dynamischen Wandels in Indonesien ist in Gang gesetzt worden. Er wird weitergehen, und auch wenn es Rückschläge geben wird, kann er nicht gestoppt werden.