Neuer Aufschwung des Klassenkampfs in Frankreich

 

Am 9. Juni 2001 fand die größte Demonstration der letzten Monate mit 30 bis 40 000 Teilnehmern auf den Strassen von Paris statt gegen ”alle Entlassungen”. Es war vor allem die wichtigste Demonstration, die von der gewerkschaftlichen Basis seit langem vorbereitet und verwirklicht wurde. Wichtiger noch: Es war eine ”radikale” Demonstration unter dem Motto: ”Keine einzige Entlassung! Gegen jede Arbeitsplatzvernichtung!” Auf diese Art und Weise lehnten die Arbeiter die sogenannten ”Sozialpläne” ab und bekräftigten ihre Forderungen ohne Rücksicht auf die Lage der Unternehmen, ob sie nun Profit machen oder nicht.

 

Seit über 20 Jahren wurde die Umstrukturierung von Betrieben, also die Entlassungen, von den rechten wie linken Regierungen gefördert; die reformistischen Gewerkschaftsführungen haben sie im Namen des ”guten wirtschaftlichen Verlaufs” akzeptiert.

 

Dieser Aufschwung hat eine lange Geschichte

Er entwickelte sich aus der gesammelten Erfahrung, die im Laufe dieser 10 Jahre an Modernisierung der Wirtschaft, Umstrukturierung, Entlassungen und sozialer Unsicherheit die Arbeiter dazu veranlasste, sich neue Fragen zu stellen.

 

Er entwickelte sich aus der langsamen, aber ständigen Neuorganisierung der Arbeiterbewegung nach Jahren von Zersplitterung und Individualismus. So haben sich neue Gewerkschaften oder neue Oppositionen in den reformistischen Gewerkschaften entwickelt.

 

Er entwickelte sich aus der zunehmenden Ablehnung der vorherrschenden reformistischen Ideen (von Klassenzusammenarbeit, Sozialkonsens ...) und aus der Abnutzung der Unternehmer- und Regierungsreden. Alles zusammen hat eine neue Stimmungslage hervorgebracht.

 

In diesen letzten zwei Jahren stellen wir fest:

*Eine Entwicklung der sozialen Kämpfe im öffentlichen wie im privaten Sektor.   

*die zunehmende Entwicklung politischer Oppositionen gegenüber der sozialdemokratischen Regierung, die deutlich links von der Regierung stehen, auch wenn sie noch keinen klaren politischen Entwurf haben.

*In einigen Schichten von Arbeitern, Angestellten und sogar im Kleinbürgertum  wird das bürgerliche politische Spiel ausdrücklich abgelehnt. Die ”linke” Politik und die rechte werden gleichgesetzt.

 

Unsere marxistisch-leninistische Organisation ”Proletarischer Weg” hat die Entwicklung der unabhängigen Widerstandsbewegung gegen die Entlassungen unterstützt und wir haben daran aktiv teilgenommen. Dabei strebten wir an, dass diese neue Bewegung des Arbeiterwiderstands sich ihrer selbst mehr bewusst wird. Wir setzten unsere Politik in der Richtung fort, dass es notwendig ist, allein die Arbeiterinteressen zu verteidigen, ohne sich um diejenigen der Firma, der Wirtschaft oder Frankreich zu kümmern. Wir haben darum gekämpft, dass der politische Bruch mit der Regierung und mit der Politik der ”Kommunistischen” Partei Frankreichs so bewusst wie möglich ist.
Schließlich riefen wir dazu auf, eine antikapitalistische Opposition mit der Perspektive einer revolutionären und sozialistischen Gesellschaft wieder aufzubauen.

 

Als Beispiel für diese Veränderungen nehmen wir die Ergebnisse der Kommunalwahlen, die unser Zentralkomitee vor einigen Monaten analysierte.

 

Eine wachsende Ablehnung des bürgerlichen politischen Spiels

Sie zeigen eine zunehmende Ablehnung des traditionellen politischen Spiels unter den Schichten des Volkes, die am meisten in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen betroffen sind. Die Zahl der Wahlberechtigten sinkt, die Stimmenthaltungen steigen bis auf 60%; die leeren und ungültigen Stimmzettel haben sich seit 1995 verdoppelt und die Immigranten wählten noch nie. Die Massen entfernen sich vom Wahlprozess. So wurden in bestimmten Arbeitergemeinden die Bürgermeister mit weniger als 10% der Bevölkerung gewählt.
Das hat allerdings auch negative Seiten: Unter den Volksmassen entspricht das auch dem Verschwinden eines kollektiven Bewusstseins und damit der Entwicklung von individuellem Handeln.

 

Eine offensichtliche Gleichsetzung: die Linke = die Rechte

Heute gibt es ein zunehmendes Bewusstsein, dass die Rechte und die Linke nur Projekte vorschlagen, die sich nicht wesentlich unterscheiden.
Die KPF, die große Gemeinden verlor, bezahlt die Rechnung für diese Veränderungen. Sie ist eine Partei, die sich im Abstieg befindet, wie auch ihre soziale Basis, die Arbeiteraristokratie.
Die Linke unterscheidet sich nicht mehr von der Rechten, das ist einer der Gründe für die massive Wahlenthaltung
Im übrigen hat die äußerste Rechte keinen Profit aus dem Skeptizismus der Arbeiter geschlagen. Aber die Verminderung ihrer Wahlergebnisse bedeutet keineswegs ihr Verschwinden.

 

Die Suche nach einer Alternative

Während die Stimmenthaltung zunimmt, wird auch die Suche nach einer Alternative deutlich.
Das von der Linken, sowohl von der PS wie von der  KPF, enttäuschte Kleinbürgertum wird in der sogenannten ”sozialen Bewegung” aktiv (Unterstützung der Immigranten ohne Papiere, Recht auf Wohnung, Anti-Globalisierung). Sie ist der Ursprung des Erfolgs der Grünen und der sogenannten ”alternativen” Listen. Diese Erfolge werden nicht in den Volksvierteln erzielt, wo man auf soziale Maßnahmen und wirklich radikale Vorschläge wartet (gegen die Arbeitslosigkeit, die schlechten Arbeitsbedingungen, Wohnungsmangel).

 

Der Erfolg der Listen der äußersten Linken

Die deutlichste Bestätigung der Suche nach einer Alternative findet man in den Erfolgen der äußersten Linken, wie man sie nennt. Die von den in Frankreich zahlreichen Trotzkisten aufgestellten Listen sind viel zahlreicher als 1995 und erreichen Wahlergebnisse, die man als bemerkenswert bezeichnen kann.  (bis zu 17,5,% in einer Stadt).
Das bedeutet eine offensichtliche politische Radikalisierung eines Teil der Bevölkerung, besonders in den Arbeiter- und Volksvierteln, die ehemals mit der KPF (”Kommunistische” Partei Frankreichs) verbunden waren.  Außerdem hat sich ein Teil des von der Linken enttäuschten Kleinbürgertums auch zu dieser Wahl entschlossen.


Das drückt zunächst eher Protest und Misstrauen aus, als eine echte Zustimmung zur Politik der einen oder andern Organisation der äußersten Linken. Dieses Wahlverhalten verstärkt sich und festigt sich. Es ist ein Wahlverhalten, das keineswegs spontan ist und das  Ergebnis eines  sichtbaren aktiven, mehr und mehr glaubwürdigen kämpferischen Geistes in den Betrieben und Wohnvierteln. Schließlich ist es ein Wahlverhalten, das allen denen Glaubwürdigkeit gibt, die sich offen als ”Revolutionäre” bekennen.

 

Einige wichtige politische Lehren

*Der kämpferische Charakter der Arbeiterklasse zeigt sich mehr von Tag zu Tag. Aber diese Radikalisierung ist vom Anarcho-Syndikalismus geprägt, denn es gibt keine arbeiterpolitische Alternative, die auf die wirkliche Erwartung der bewusstesten Arbeiter antwortet. .
*In dieser Zeit der Verwirrung wirken alternative Vorschlägeanziehend, die mehr oder weniger radikal sind, jedoch zur Versöhnung mit der reformistischen Parteien neigen,  und gewinnen an Einfluss: der Anarcho-Syndikalismus, die trotzkistischen Organisationen und die Antiglobalisierungs-Bewegungen.

*Die offensichtliche politische Radikalisierung eines Teils der Arbeiter und des Volkes zeigt sich zumTeil in den Wahlstimmen für die äußersten Linken, aber auch zum Teil in den Nichtwählern, die auf eine grundlegend andere Politik warten.

* Wie wir bei unseren letzten beiden Delegiertentagen bekräftigt haben, müssen wir unsere Arbeit unter der Arbeiterklasse, in den Betrieben und den Wohnvierteln entwickeln und unseren Arbeitsstil wesentlich verändern.



Sind wir dabei, eine neue Stufe zu überschreiten?
            1/ Die Regierungslinke wird breit von der Masse des Volkes und des Kleinbürgertums abgelehnt.

            2/ ein wesentlicher Teil der bewussten Menschen bricht politisch mit dieser Linken, um anderswo eine Alternative zu suchen.

            3/ Die Massenbewegung tendiert dazu, mit dem betriebsbezogenen, regionalen oder nationalen Standesdünkel zu brechen; sie koordiniert sich in Richtung eines weltweiten “Alle zusammen”.... Das Bewusstsein, das unter den Massen zu entstehen scheint, ist: zur Arbeitswelt zu gehören gegen die weltweiten Aktienbesitzer. Das ist ein Fortschritt in Richtung auf das Klassenbewusstsein und die Verstärkung des Bruchs mit dem nationalen Konsens.

            4/ Die Globalisierungsgegner kommen zusammen

Die Antiglobalisierungsbewegung trifft mit der radikalen Streikbewegung zusammen in der Ablehnung der kapitalistischen Globalisierung: Die Streikenden empfangen José Bové, den Führer der Kleinbauern, und dieser erteilt den Streikenden das Wort.

            5/ Bei der Schaffung der Einheitsfront den Zentrismus der Trotzkisten bekämpfen!

Die anarcho-syndikalistische Abweichung der Massen findet seinen politischen Ausdruck im Aufstieg des Trotzkismus. Das zeigt genau, wo die fortschrittlichen Elemente stehen: Ein unvollständiger Bruch mit dem Reformismus, der nicht über einen radikalen Aktionismus hinausgeht.

Der  Wiederaufbau der marxistisch-leninistischen Bewegung steht am Anfang. Ihre Fortschritte werden von unserer Politik und unserer Taktik abhängen. Um die Lage zu verändern, müssen wir den radikalen Ökonomismus und das Sektierertum bekämpfen.

 

Vorwärts zur Schaffung der revolutionären kommunistischen Partei!

 

 

7. Internationale Konferenz

Länderbericht Frankreich, OCML Voie Prolétarienne.