Kommunistische Partei Indiens (M-L) Janashakti

Das heutige Indien und einige Probleme der indischen Revolution (Länderbericht)

Der letzte Jahreshaushalt für Indien, der vom indischen Finanzminister am 27.2.1999 vorgestellt wurde, hat die Einkommenssteuern für alle einheimischen Firmen und Einzelpersonen, die mehr als 60.000 Rupien (das sind mehr oder weniger 1.400 US-Dollar) im Jahr verdienen, erhöht, indem ihnen ein 10-prozentiger Steuerzuschlag auferlegt wurde. Es gibt jedoch für die ausländischen Firmen, die in Indien tätig sind, keinen derartigen Vorschlag. Und diese Regierung behauptet, "patriotisch" oder "swadeshi" zu sein!

Wie derselbe Haushalt des laufenden Finanzjahrs enthüllt, stammen 25 Prozent der Regierungseinnahmen aus Krediten und 27 Prozent ihrer Ausgaben werden für Zinszahlungen verwendet.

Diesem Haushalt ist es zu verdanken, daß die Preise für Tee als Massengetränk steigen werden; importierte Getränke wie Bier, Rum, Whisky und Gin werden billiger, weil die Einfuhrzölle für diese Waren gesenkt wurden.

Durch vorhergehende Maßnahmen wurden die Preise für alle Güter des täglichen Bedarfs in die Höhe getrieben, von Reis und Zucker bis zum Petroleum, die teilweise über öffentliche Verteilersysteme für die unteren Bevölkerungsschichten vermarktet werden. Der gegenwärtige Haushalt hat dafür gesorgt, daß die Preise für solche Waren wie importierte Kosmetika, Farbfernsehgeräte, Kühlschränke, Klimaanlagen, Motorräder usw. billiger als zuvor geworden sind. Das Fernmeldeministerium steht dem nicht nach; es wurden Vorschläge gemacht, daß die Gebühren für Inlandsgespräche teurer und für Auslandsgespräche preiswerter werden sollen. Niemand kann der indischen Regierung vorwerfen, daß sie aus diesen Gründen nationalistisch eingestellt ist. Sie wird vielmehr in großem Maße eine "internationalistische" Haltung beibehalten.

In den letzten sieben Jahren, d.h. in der Periode der neuen Offensive im Namen der Globalisierung, wurden mehr als 1.000 sogenannte Joint-Ventures, zwischen indischen und ausländischen Unternehmen, mit Beteiligung von US-Firmen und fast 500 Joint-Ventures mit deutschen Unternehmen eingegangen. Das ist jedoch viel weniger als die Hälfte aller Joint-Ventures, weil es noch weitere mit Unternehmen aus anderen Ländern gibt - von Großbritannien bis Rußland. Man kann sich das Tempo der Globalisierung vorstellen und wieviel von Indiens Reichtum aus dem Land herausgezogen wird. Und das alles kommt nur zu der halbkolonialen Vergangenheit der letzen 50 Jahre und der kolonialen Vergangenheit von fast 200 Jahren hinzu.

Indien ist auch ein halbfeudales Land. Es gibt selbst unter den ML-Organisationen Gelehrte, die von der kapitalistischen Entwicklung in der indischen Landwirtschaft sprechen. Diese Freunde von uns weigern sich jedoch zu sehen, daß diese von den Imperialisten aufgezwungene "Entwicklung" tatsächlich die natürliche Entwicklung der indischen Gesellschaft gehemmt hat. Allein in einer indischen Provinz führte letztes Jahr eine Mißernte beim Baumwollanbau dazu, daß mehr als 300 Bauern Selbstmord begingen. Sie konnten die Kreditlasten nicht mehr tragen, die sie aufnehmen mußten, um sogenanntes Hochertragssaatgut, Düngemittel, Pestizide usw. zu beschaffen, die alle von multinationalen Gesellschaften geliefert werden. Tatsächlich lebt die große Mehrheit der landlosen und armen Bauern die meiste Zeit am Rande des Hungers.

In den letzten 20 Jahren wurden fast eine halbe Million Fabriken geschlossen oder für krank erklärt. Mit der neuen "Globalisierungsoffensive" ist der sogenannte öffentliche Sektor, nach Ansicht der Revisionisten der "sozialistische" Teil der indischen Wirtschaft, der gleichen Gefahr ausgesetzt. Privatisierung, Arbeitskräfteabbau mit verschiedenen Mitteln wie Entlassungen, Schließung von Anlagen oder sogar von Teilen der Großindustrie wie im Bergbau und die weitere Öffnung aller Bereiche für die multinationalen Unternehmen, das sind teilweise die Merkmale, über die man sprechen muß.

Der "Hindi-Hindu"-Zusammenschluß der herrschenden Klassen Indiens existierte immer. Jetzt, mit der Übernahme der Zentralmacht durch die PJP als Hauptkraft nimmt die Unterdrückung religiöser Minderheiten ständig zu. Ein neues Kennzeichen auf kommunaler Ebene in Indien sind offene Angriffe auf Christen. Stärkste Unterdrückung der kämpfenden nationalen Minderheiten, zunehmende Angriffe auf die untersten Kasten, große Unterdrückung der Frauen - das sind andere Merkmale der indischen Wirklichkeit, um genau zu sein.

Die andere Seite der indischen Realität stellen die Volksbewegungen aller Teile der oben erwähnten Massen dar, die in verschiedenen Formen und in unterschiedlichem Maße ebenfalls zunehmen.

Die parlamentarische "Linke" in Indien, die revisionistischen und neo-revisionistischen Parteien, d.h. die CPI und CPI(M), haben nicht nur die Sache des Volkes verraten, sondern sie sind auch zu einem wesentlichen Bestandteil des gegenwärtigen Herrschaftssystems geworden. Sie stellen in drei Provinzen in Indien die Regierung, wo sie alle neuen Unternehmungen der Weltbank und verschiedener multinationaler Gesellschaften mit Freude umsetzen. Und um das BJP-Bündnis, das die zentrale Macht inne hat, auf kommunaler Ebene loszuwerden, verlassen sie sich jetzt stark auf die Kongreßpartei (I) - die traditionelle Nummer eins der Parteien der herrschenden Klassen Indiens.

Die ML-Bewegung, die die revolutionäre Alternative in Indien sein sollte, befindet sich immer noch in einem gespaltenen Zustand mit einer Anzahl von ML-Parteigruppen in Indien. In den 70er Jahren wurde unsere Bewegung hauptsächlich aufgrund der "linken" Linie, die wir praktizierten, besiegt. Und obwohl danach ein Korrekturprozeß begann, war dennoch die Linie, die als "Massenline" in Erscheinung trat, noch nicht in der Lage, das Hauptproblem zu lösen und den Klassenkampf auf die Stufe des regelrechten Guerillakriegs zu heben.

"Linke" Überbleibsel gibt es immer noch in starkem Maße und in verschiedenen Formen, wie die Taktik der Beteiligung an Wahlen oder deren Boykott zum Maßstab oder zur Trennungslinie zwischen Revolutionären und Revisionisten zu machen. Das Hauptproblem in unserer Bewegung ist jedoch nicht das Fortbestehen von "linken" Fehlern; vielmehr sind rechte Abweichungen in verschiedenen Formen die Hauptgefahr.

Der große und massive Bauernkampf, der sich in dem weiten Gebiet Andhra Pradeshs in den 70er und 80er Jahren entwickelte, wird heute neu untersucht. Er wurde schließlich von dem bedeutendsten Führer dieser Bewegung, dem Genossen C. P. Reddy, als "Widerstandskampf" gekennzeichnet und von uns, der CPI (M-L) Janashakti, als Schritt hin zum Guerrillakampf angenommen.

Wir könnten heute viel besser in der Lage sein, eine Antwort auf einige Hauptprobleme zu geben, einschließlich des wichtigsten Problems. Aber wegen innerer Probleme bei Teilen unserer Partei mit Gruppenbildung, Spaltertum und Rechtsorientierung verloren wir wertvolle Zeit. Die CPI (M-L) Janashakti ist auf dem Weg zu einer Lösung nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Wir sind zuversichtlich, daß wir in der Lage sein werden, dies umzusetzen.

Zentralkomittee, CPI (M-L) Janashakti