Länderbericht der CPI(ML) - New Democracy

I

Die Kommunistische Partei Indiens (Marxisten-Leninisten) wurde 1969 von revolutionären Kommunisten gegründet, die nach dem großen bewaffneten Naxalbari-Bauernaufstand von 1967, aus der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) gekommen waren. In den letzten drei Jahrzehnten durchlief die CPI(ML) viele Höhen und Tiefen. Sie wurde im revolutionären Kampf gestählt und war auch, im Kampf gegen rechte und linke Abweichungen, von Spaltungen betroffen.

Wie in anderen Teilen der Welt, forderte der Deng-Revisionismus seinen Tribut auch in der revolutionären Bewegung Indiens. Eine Sektion der marxistisch-leninistischen Bewegung fiel dem Parlamentarismus zum Opfer und ruft nach Einheit mit den Revisionisten.

Unter den Organisationen, die den Deng-Revisionismus ablehnten, kann man mehr oder weniger klar zwei Richtungen unterscheiden, diejenigen die an der revolutionären Massenlinie festhalten und diejenigen, die terroristisch-anarchistische Aktivitäten betreiben. Letztere Organisationen behaupteten, daß sie einen Bürgerkrieg gegen die indische Regierung führen würden. Sie behaupten außerdem, daß sie befreite Gebiete und Guerillazonen geschaffen hätten. Wie auch immer, ihr Konzept von befreiten Gebieten und Guerillazonen unterscheidet sich scharf von den Lehren des Genossen Mao über befreite Gebiete und Guerillazonen. Die von ihnen durchgeführten Aktivitäten entsprechen nicht dem Stand der Massenbewegung, noch versuchen sie, die Massenbewegung systematisch zu entwickeln.

Unsere Partei - die CPI(ML)-New Democracy - hält an der revolutionären Massenlinie fest. Einige andere Organisationen haben ebenfalls eine im wesentlichen ähnliche Linie. Wir gehen davon aus, daß es in Indien keine befreiten Gebiete gibt. Ebenso ist es falsch, daß zur Zeit ein Bürgerkrieg in Indien stattfinden würde, von einer oder mehreren kommunistisch revolutionären Organisationen geführt.

Unser Land ist ein halb-feudales, halb-koloniales Land im Stadium der neudemokratischen Revolution, mit der Agrarrevolution als Achse. Die Agrarrevolution ist die grundlegende Aufgabe, die vor den kommunistischen revolutionären Kräften liegt. Die agrar-revolutionäre Bewegung sieht sich den bewaffneten Angriffen der feudalen Kräfte, ihren Handlangern und ihren Sicherheitskräften gegenüber. Im Bundesstaat Bihar wurden feudal-kriminelle Banden wie Privatarmeen organisiert, um die armen Bauern und Landarbeiter anzugreifen und zu massakrieren und die revolutionären Kräfte und ihre Bewegung zu zerstören. Daher müssen die revolutionären Kräfte diese Attacken, von Beginn des Agrarkampfes an, zurückschlagen indem sie alle Formen des Kampfes organisieren, seien es offene demokratische Bewegungen, Selbstverteidigungseinheiten oder Kampfgruppen.

In einigen Gebieten der agrar-revolutionären Bewegung führen die kommunistischen revolutionären Organisationen, unsere Partei eingeschlossen, einen Widerstandskampf. Das bedeutet Aufbau, Entwicklung und Ausweitung der agrar-revolutionären Bewegung gegen die Repression und die Angriffe der feudal-kriminellen Polizeikräfte. CPI(ML)-New Democracy verfolgt die Linie der Entwicklung einer von ihr geführten Agrarbewegung mit dem Ziel, Gebiete mit anhaltendem Widerstand aufzubauen.

II

Verschärfte Angriffe auf das Volk

Nach der Erlangung der formalen Unabhängigkeit vom britischen Imperialismus haben die herrschenden Klassen in Indien - die Großbourgeoisie und die Großgrundbesitzer - über Jahrzehnte hinweg eine Politik verfolgt, in der sie die Interessen der Imperialisten schützten und die feudalen Verhältnisse auf dem Land aufrecht erhielten und festschrieben. Ohne wirklich bedeutungsvolle Landreformen durchzuführen, die die Produktivkräfte in einem Land wie Indien, das vorwiegend durch die Landwirtschaft geprägt ist, hätten freisetzen können, schlugen sie den Weg der industriellen Entwicklung ein, die von der imperialistischen und einheimischen Kompradorenbourgeoisie abhängig ist und deren Interessen dient. Dieses Modell war von Anfang an krisenanfällig. Nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion und der Auflösung des sozialimperialistischen Lagers haben sich die herrschenden Klassen Indiens gefügig dem Diktat der westlichen imperialistischen Mächte unterworfen. Unter dem Diktat der imperialistischen Mächte und der von ihnen kontrollierten internationalen Finanzeinrichtungen haben die herrschenden Klassen Indiens die ‘neue’ Wirtschaftspolitik umgesetzt. Diese verkörpern das Strukturanpassungsprogramm (Structural Adjustment Programme - SAP) darstellt, das den Ländern der Dritten Welt von der Weltbank und der IWF aufgezwungen wird.

Die herrschenden Klassen haben ihre Angriffe gegen verschiedene Teile des Volkes unter der neuen Wirtschaftspolitik verstärkt. Der Sinn dieser Politik ist es, den Würgegriff der Multis auf verschiedene Teile der Wirtschaft des Landes zu verstärken. Die Industrien sind in zunehmendem Maß von Schließungen und Aussperrungen betroffen, da die Waren der Multis den Markt überschwemmen. Die Regierung baut zunehmend den öffentlichen Bereich ab und zieht sich aus dem sozialen Bereich und der Entwicklungsarbeit zurück. In verschiedenen Bereichen werden die Subventionen gekürzt. Das Los der einfachen Menschen, insbesondere der Arbeiter und der Bauern, wird unerträglich.

Die Angriffe gegen die Bauern sind besonders scharf. In manchen Gebieten organisieren die herrschenden Klassen kriminelle Banden, die die Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung der revolutionären Bewegung unterstützen. Im Staat Bihar haben die feudal-kriminellen Banden eine Reihe von Massakern angerichtet, bei denen in jüngster Zeit über dreihundert landlose arme Bauern - Alte, Kleinkinder und Frauen - gnadenlos niedergeschossen wurden. Die Regierung versucht, drakonischere Gesetze zu verabschieden, um die Aktivitäten der revolutionären Organisationen einzuschränken. Die Landreform steht hauptsächlich nur auf dem Papier, und das wenige, das davon umgesetzt wurde, wurde von den herrschenden Klassen wieder rückgängig gemacht. Auf der anderen Seite beherrschen die Multis die Bereiche für Pestizide, Düngemittel und Saatgut. Die Bauern werden zu einer leichten Beute für die Gier der Multis und hunderte, insbesondere Baumwollpflanzer, wurden letztes Jahr in den Selbstmord getrieben.

Da die Politik der herrschenden Klassen immer stärker auf die Ablehnung des Volkes stößt, versuchen sie, das Volk mit den Problemen der Gemeinschaften und der Kastenfrage zu spalten, um ihr volksfeindliches System zu retten und die Bewegungen auf Abweg zu führen. Andererseits findet eine zunehmende Faschisierung des Staatsapparates sowie eine verstärkte Unterdrückung der revolutionären Bewegungen und Nationalitätenkämpfe statt. Die herrschenden Klassen rücken von ihrem alten politischen Rahmen ab und gegenwärtig befindet sich die Mehrheitspartei der herrschenden Klassen, die BJP, an der Macht mithilfe einer Anzahl regionaler Parteien.

Die wichtigsten revisionistischen Parteien, die CPM und die CPI, haben sich in einem noch nie dagewesenem Maße entlarvt. Ihre Beteiligung an der regierenden Einheitsfront im Zentrum bei den letzten Wahlen hat sie noch mehr entlarvt. Diese Parteien, die seit langem den revolutionären Weg verlassen haben, sind zu Repräsentanten der herrschenden Klassen degeneriert.

III

Die wachsenden politische Destabilisierung - faschistische Kräfte kommen auf kommunaler Ebene an die Macht

Die sich verschärfende Wirtschaftskrise ist Grundlage einer wachsenden politischen Destabilisierung der herrschenden Klassen. Die bedeutendste Partei der herrschenden Klasse seit über vier Jahrzehnten, die Kongresspartei, hat an Bedeutung verloren. Die Parteien der herrschenden Klasse sind sich jedoch einig über die Neue Wirtschaftspolitik, obwohl sie sich als Gegner einiger Aspekte dieser Politik ausgeben, um das Volk hinters Licht zu führen und um den Volkszorn für den Wahlkampf auszunutzen.

Die vier Parlamentswahlen, die in den letzten zehn Jahren abgehalten worden waren, haben für keine Partei oder Koalition der herrschenden Klasse eine Mehrheit gebracht. Es wurden mithilfe prinzipienloser Bündnisse Minderheitsregierungen nach den Wahlen gebildet. Die Parteien der herrschenden Klasse sind in zunehmenden Maße isoliert und der Unmut des Volkes steigt.

Unter Ausnutzung des Niedergangs der wichtigsten Partei der herrschenden Klasse hat die Bhartiya Janata Partei, die kommunale Partei der die Mehrheit bildenden Hindu-Gemeinschaft, nach den letzten Wahlen eine Koalitions-Regierung gebildet. Diese Partei ist der parlamentarische Flügel von Rashtriya Swayamsewak Sangh, einer erklärtermaßen faschistischen Clique. Ihre Regierung versucht, pseudonationalistische und kommunale Gefühle aufzupeitschen, während es andererseits mit vollem Tempo das Eindringen der multinationalen Gesellschaften in alle Bereiche erleichtert. Sie hat Gesetze verabschiedet, die den Zugang der Multis zum Versicherungsbereich erlauben, und sie hat Patentgesetze verändert entsprechend den Bestimmungen der WHO. Obwohl ihre Versuche, nach den Atomexplosionen im Mai 1998, eine chauvinistische Hysterie zu entfesseln, ihre Wirkung verfehlt haben, hat sie ihre Angriffe gegen die Minderheiten und deren religiöse Einrichtunge intensiviert. In jüngster Zeit haben sie christliche Missionare in den Stammesgebieten zu ihrem Angriffsziel gemacht. Sie versuchen, eine kommunale Hysterie zu erzeugen, um ihre Unterwürfigkeit unter die imperialistischen Mächte zu verschleiern. Ihre Regierung ist jedoch äußerst instabil und ihre Angriffe in der Kommune werden von breiten Teilen der Bevölkerung verurteilt.

Die tatsächlichen Angriffsziele dieser Kräfte sind die Rechte des einfachen Volkes, der Arbeiter, Bauern, Mittelschichten, Frauen, unterdrückten Kasten, Stammesangehörigen und Minderheiten. Sie genießen die Unterstützung eines großen Teils der herrschenden Kompradorenklassen und die Rückendeckung durch die imperialistischen Mächte.

IV

Die Perspektiven der Massenbewegungen

Die gegenwärtigen Bedingungen in unserem Land begünstigen zunehmend das Anwachsen und die Entwicklung der revolutionären Bewegung. Trotz aller Bemühungen der Kommunalisierung und Faschisierung verstärkt sich der Kampf des Volkes um seine Hauptprobleme: gegen beispiellose Preiserhöhungen, für Arbeit und Rechte. Auf der anderen Seite nimmt die Gefahr des Faschismus ebenfalls zu. Daher machen wir, wie unser Parteitag erklärt, eine Periode der "großen Herausforderungen und hervorragenden Möglichkeiten" durch.

Unsere Partei sieht ihre vorrangige Aufgabe darin, die agrar-revolutionäre Bewegung aufzubauen. Andererseits entwickeln wir gemeinsame Kämpfe gegen die Folgen der Neuen Wirtschaftspolitik und die Unterwürfigkeit der herrschenden Klassen gegenüber den Imperialisten. Wir versuchen, eine gemeinsame Bewegung aufzubauen zusammen mit anderen revolutionären und kämpfenden Kräften gegen die zunehmende Ausplünderung unseres Landes durch die Imperialisten und auch gegen die Angriffe der feudalen kriminellen Banden gegen die armen Bauern. Wir beteiligen uns auch an einer Bewegung mit anderen Kräften zu Problemen des Volkes.